Stapel mit Münzen

Mindestlohn, Basisgeld - wie weiter mit der Bezahlung in Werkstätten?

17. November 2023

Eine Stellungnahme der Geschäftsführung von Mosaik zur Entgeldstudie

Text: Jan Ballerstädt
Geschäftsführer Mosaik Unternehmensverbund

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im Jahr 2023 eine Studie zum Werkstattentgelt veröffentlicht. Die Studie hatte zum Ziel, die aktuelle Situation des Werkstattentgelts in Deutschland zu analysieren und Handlungsbedarfe zu identifizieren.

Die Studie wurde 2019 initiiert und als „Entgeltstudie“ groß angekündigt. Fraglich ist, was in den vier Jahren bis zur Veröffentlichung passiert ist. Plötzlich werden neben der Entgeltthematik Handlungsfelder identifiziert, die Empfehlungen in Bezug auf Zugänge in die Werkstatt und Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt aussprechen. Teilweise sind die Empfehlungen so rückschrittlich, dass man davon nur abraten kann. Dass Werkstätten ein Arbeitsangebot bereitstellen, das einer arbeitsmarktnahen Beschäftigung nahekommt, ist eine Errungenschaft, die man auf gar keinen Fall aufgeben darf. Rehabilitationsleistungen und Arbeit sind aus unserer Sicht untrennbar miteinander verknüpft.

Bei der Befassung mit einem solch komplexen Thema könnte man die Idee entwickeln, dass man sich auch an die Selbstvertretung der ca. 320.000 Werkstattbeschäftigten wendet. Da muss ich Sie leider enttäuschen. Der Werkstatträte Deutschland e. V. (WRD) war nicht in die Erstellung der Studie eingebunden. Immerhin hat das Gremium nun die Möglichkeit, die Ergebnisse im Nachgang zu bewerten. Es bleibt zu hoffen, dass die Stimme des WRD ernst genommen wird.

Aus Entgelt wird Werkstattgeld
Die Studie schlägt zum Thema Entgelt Folgendes vor: Das Entgeltsystem soll zukünftig so ausgestaltet sein, dass bei einer Vollzeitbeschäftigung die Angewiesenheit auf Grundsicherungsleistungen nicht mehr erforderlich ist. Dafür werden verschiedene Modelle vorgestellt, diese reichen von Basisgeld bis zu Varianten des gesetzlichen Mindestlohns.

Was wiederum das BMAS daraus macht, lässt einen etwas ratlos zurück. Das Entgelt wird umbenannt in Werkstattgeld. Dabei soll das bestehende System aus Grund-, Steigerungsbetrag und Arbeitsförderungsgeld bestehen bleiben. Ein erster Vorschlag des Ministeriums war die Anhebung des Freibetrags bei der Grundsicherung auf 50 % der Regelbedarfsstufe 1, Erhöhung des Arbeitsförderungsgeldes um ca. 25 €. Damit würde sich das durchschnittliche Werkstattgeld bei Grundsicherungsempfängern um 78 € erhöhen. Wahrlich, nicht der große Wurf! Zudem werden die Rahmenbedingungen für Werkstatträger nicht verändert. Diese Bedingungen sorgen dafür, dass Leistungserbringer – also die Werkstätten – weiterhin für die Entlohnung der Werkstattbeschäftigten kritisiert werden, obwohl die Politik hier am Zug wäre. Es muss hier unbedingt umgesteuert und ein System geschaffen werden, das Werkstattbeschäftigte so entlohnt, dass ein Gang zum Amt nicht mehr erforderlich ist.

Zugang in die Werkstatt − 
Auslagerung der beruflichen Bildung

Das BMAS möchte zukünftig den Zugang in die Werkstätten deutlich schwieriger gestalten. Dazu soll die Bundesagentur für Arbeit eine neue Maßnahme zur beruflichen Bildung konzipieren. Ziel ist es, ein Angebot zu entwerfen, das die Menschen nicht in die Nähe einer Werkstatt bringt. Auf den Punkt gebracht, möchte der Gesetzgeber den Berufsbildungsbereich aus der Werkstatt herauslösen. Grundsätzlich ist eine Weiterentwicklung der beruflichen Bildung wünschenswert, wenn diese zu einer Verbesserung des aktuellen Systems führt. So wäre es ein positives Signal, wenn die Möglichkeit geschaffen wird, in einer Werkstatt eine reguläre duale Berufsausbildung zu absolvieren. Diese Forderung stellen wir Werkstätten schon lange auf. Dazu gehört auch, die Zeit des Berufsbildungsbereiches auf reguläre drei Jahre wie in einer Ausbildung zu verlängern. Des Weiteren müssen die Abschlüsse oder Teilabschlüsse endlich offiziell anerkannt und zertifiziert werden. Zudem ist es ein Risiko, dass mit der Ausgliederung der beruflichen Bildungsangebote die Vielfalt der beruflichen Bildungsmaßnahmen, die den Anforderungen der Menschen mit Behinderung entspricht, verloren geht. Eine Reduktion der Angebote wäre ein falsches Signal. Das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderung bei der Auswahl der Bildungsstätte ist zu respektieren. Ein Angebot, das in der Regel nach den Vorgaben des Vergaberechts ausgeschrieben wird, wird ggf. zu ständig wechselnden Bildungsträgern führen, die sich erst die Expertise für Bildungsangebote für Menschen mit Behinderung erarbeiten müssen.

Befristung von Außenarbeitsplätzen − 
Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt

Das BMAS plant, die Beschäftigung auf sogenannten Außenarbeitsplätzen auf zwei Jahre zu befristen. Anschließend sollen die Arbeitsplätze in ein Budget für Arbeit umgewandelt werden, oder der Werkstattbeschäftigte soll zurück auf einen Werkstattarbeitsplatz wechseln. Außenarbeitsplätze sind ausgelagerte Werkstattarbeitsplätze, auf denen sich Menschen mit Behinderung langfristig erproben können: Sie arbeiten in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes, sind aber weiterhin bei der Werkstatt beschäftigt und können jederzeit in diese zurückwechseln. Die Kritik, dass Werkstattbeschäftigte jahrelang auf einem Außenarbeitsplatz verbringen und lediglich Werkstattentgelt bekommen, kann man nachvollziehen. Wünschenswert wäre hier eine personenzentrierte Betrachtung und nicht die starre pauschale Befristung dieses Angebots, das geschaffen wurde, um noch näher an den allgemeinen Arbeitsmarkt heranzurücken. In erster Linie muss auch hier gelten: Entscheidend ist das Wunsch- und Wahlrecht der Beschäftigten. Eine Mosaik-interne Studie von Dr. Manfred Gehrmann hat das Ergebnis gebracht, dass die Beschäftigten nach durchschnittlich zwei Jahren in der Lage waren, die Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu bewerkstelligen. Das heißt, sie konnten nach dieser Zeit laut Definition etwa 60 % der Leistungsfähigkeit eines nicht behinderten Mitarbeitenden erbringen. Dies, so die Studie weiter, erfordert jedoch eine engmaschige Betreuung, um auf die Anforderungen hinzuarbeiten und entsprechend vorbereitet zu werden. Ferner sollte die Unterstützung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dauerhaft und unbefristet sein. Dieses Angebot ist momentan durch Leistungserbringer erst leistbar, wenn ganze Werkstattgruppen in Betriebe ausgelagert werden, da die erforderlichen Ressourcen bei Einzelarbeitsplätzen nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden können und die Rahmenbedingungen vom Leistungsträger geändert werden müssten. 

Ein großes Hindernis für den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sind die vorhandenen, komplexen Stellenausschreibungen, die neben der Arbeitsplatzbeschreibung auch die Zugangsvoraussetzungen anhand von Schul- und Berufsabschlüssen beinhalten. Beim sogenannten „Job Carving“ (übersetzt „eine Arbeitsstelle schnitzen“) löst man sich vom Gedanken der Arbeitsplatzbeschreibung und denkt stattdessen in Tätigkeiten. Vor allem Werkstätten bieten hier eine enorme Expertise, um vielschichtige Arbeitsprozesse so zu strukturieren und zu vereinfachen, dass daran ein größtmöglicher Anteil an Menschen mit unterschiedlichen Stärken teilhaben kann. Arbeitgeber müssen hier umdenken und wir bieten gerne unsere Hilfe an, um inklusivere Angebote zu schaffen.

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Alexandra Lange

Leitung Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation

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